Die Begegnung mit Ruth Blesis Bildwelt irritiert. Stark wirkt der Sog der irrealen Landschaften, denn der Betrachter gerät unweigerlich ins Bild, ist in seiner Imagination einer Situation ausgesetzt, die fern jeder Normalität eine geschärfte Aufmerksamkeit erfordert.Die Künstlerin entrückt ihre Settings in eine ferne Zukunft, lässt die Relikte der Gegenwart – Skylines, Infrastrukturen, Bauten der Vergnügungskultur – aus der Zeit fallen, indem sie sie paart mit Fiktionen archaischer, längst versunkener Kulturen. Und sie weckt mit diesen Übersteigerungen eine faszinierend beklemmende Atmosphäre der Leere: Es ist, als wären diese Szenerien in einem Vakuum eingekapselt, als befänden sie sich unter einer unsichtbaren riesigen Glasglocke.Ruth Blesi kreiert diese Bildwirkung, indem sie für ihre Motiv-Konglomerate eine ausgeklügelte Bildregie wählt. Gleichsam als Szenografin legt sie ihren Kompositionen eine unspektakuläre Fotografie zugrunde; die Bilder stammen aus ihrem eigenen Fundus von Reisedokumentationen, sind oftmals unprätentiöse Schnappschüsse, beiläufige Momentaufnahmen, für andere nicht zu verorten. Diese auf Fotofilm und anschliessend auf Papier gebannten Erinnerungen real existierender Gegebenheiten werden – einmal digitalisiert – zur Bühne für die Inszenierung surrealer Welten. Für den nächsten Gestaltungsschritt modelliert die Künstlerin aus mit Graphit versetztem Wachs plastische Körper in Form von archaischen Architekturen, Industrieanlagen, vermeintlichen Maschinenteilen, Flugzeugen und fotografiert diese bei Schlaglicht-Beleuchtung und aus oftmals steilen Blickwinkeln.Unter Zuhilfenahme des Computers verzahnt Ruth Blesi nun die gewählten Fotografien mit den geschaffenen Objekt-Aufnahmen zu ihren manchmal gespenstischen, manchmal abgründigen, manchmal extraterrestrisch anmutenden Unwirklichkeiten. So konkret sich dem Auge der Bildgegenstand stets zeigt, so geheimnisvoll und unentschlüsselbar muss für uns Betrachtende die Konstellation bleiben. Das Gefühl der Desorientierung, der Verständnislücke, lässt sich nicht bannen, die Rezeption ist eingeschworen auf spannungsgeladene Ungewissheit.Auf die Frage, ob bestimmte Filme auf ihr Schaffen inspirierend wirkten, nennt Ruth Blesi ihre Begeisterung für Alfred Hitchcocks Manier der cineastisch subtilen wie drastischen Spannungserzeugung und für die künstlich generierten Welten in namhaften Science Fiction Filmen, wo das erzählerische Moment latenter Bedrohung und des Ausnahmezustand mittels Lichtregie und Zerr-Perspektiven visuell generiert wird.Über die Konfrontation mit dem Ausgesetzt-sein hinaus zeigen die markanten Arbeiten von Ruth Blesi eine berückende Bild-Poesie: ‚zwischen den Zeilen’ lässt die Künstlerin dem Visavis alle Freiheit, eigene Bedeutungszusammenhänge einfliessen zu lassen, sich so jede der Bildfiktionen persönlich zueigen zu machen und ins Träumerisch-versöhnliche zu transponieren. Gabrielle Obrist
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